Karfreitag, 2. April: Andacht von Pfarrerin Britta Meyhoff

Eingangslied:

"Christe, Du Lamm Gottes"Lena Puschmann an der Führerorgel der Jakobi-Kirche.

Pfarrerin Britta Meyhoff

Begrüßung und liturgisches Votum

Karfreitag - Die Glocken schweigen. Der Altar ist nicht geschmückt. Wir gedenken des Todes Jesu am Kreuz. Wir versuchen zu begreifen, wie Gott selbst das Leiden auf sich genommen und den Tod durchbrochen hat. Darum sind wir hier im Namen Gottes,

im Namen der Kraft, die uns erhält im Leben und im Tod,

im Namen des Muts, der auch vor dem Tod nicht zurückschreckt,

im Namen der Liebe, die uns durch Abgründe trägt. Amen.

Chorlied:

"Jedes Jahr diese Zeit" 1. Strophe, Lena Puschmann am Klavier und Sänger/innen des Kirchenchores

Lesung Johannesevangelium 19,16 - 30

Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten. Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebhatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.

Chorlied:

"Jedes Jahr diese Zeit" 2. und 3. Strophe, Lena Puschmann am Klavier und Sänger/innen des Kirchenchores

Predigt

Liebe Mitchristen!

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. (Jesaja 53,4+5)

Fürwahr – ein kleines Wörtchen, was kaum noch in unserer Alltagssprache Verwendung findet. Es erhebt den Anspruch, die Wahrheit zu sprechen für alles, was danach gesagt wird. Fürwahr - was ist die ungeschminkte Wahrheit heute? Was ist wahr hier am Karfreitag -  an dem das Kreuz Jesu mit all seiner Schwere und Schärfe, mit dem Schmerz und dem großen Leid unsere Blicke auf sich zieht?

Was ist wahr hier unter dem Kreuz Jesu, im Dunkel, in der Schmucklosigkeit und in der Stille dieses Tages?

Wahr ist: Karfreitag ist ein Tag der Trauer, der Ohnmacht. Ein Tag an dem ich nicht wegsehen kann, den ich aushalten muss. Denn eine Wahrheit lässt sich nicht verleugnen: Das Kreuz ist brutal!

Das Kreuz erinnert an den Tod eines Menschen, der große Hoffnungen geweckt und so viel Vertrauen geschenkt hat. Diese Hoffnungen auf Zukunft, Frieden und Heil sind brutal durchkreuzt worden. Mit Jesus von Nazareth wurde sie ans Kreuz genagelt und die Spuren seines Lebens, alles was er je getan und gesagt hatte, all seine Menschlichkeit und Freundlichkeit sollten ein für alle Mal vernichtet werden.

Das Kreuz ist brutal! Da führt kein Weg dran vorbei.

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.

Krankheit und Schmerzen. Menschen tragen an Krankheit und Schmerzen schwer. Keiner sucht es sich aus, aber alle hoffen auf Heilung oder zumindest Linderung. Und wenn gar nichts mehr hilft, wartet der Tod am Ende. Krankheit und Schmerzen können Menschen brechen, sie verändern. Und die schlimmste Krankheit – der Tod - beraubt uns der Gegenwart all derer, die wir lieben und die wir so gerne festhalten möchten. Der Tod spielt sich auf, als wäre er die letzte Wahrheit, das letzte Wort, das über einem Menschenleben gesprochen wird.

Fürwahr, wenn das schon die ganze Wahrheit wäre, wer wollte das aushalten?

Krankheit, Schmerzen, Leid müssen wir aushalten. An Karfreitag geht es genau darum: Hinzusehen, wie Jesus verraten, verspottet und verhöhnt, erniedrigt und am Kreuz gehängt, leidvoll stirbt. Ich kann verstehen, dass viele damals geflohen sind, um das nicht sehen zu müssen. Ich kann all die verstehen, die nach dem „warum“ fragen und an Gott verzweifeln. Und ich muss mir eingestehen, dass ich letztendlich mit meinem Denken Gott nicht begreifen kann.

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Jesaja 53,4+5)

Das Kreuz von Karfreitag ist brutal. Aber eine weiter Wahrheit ist auch: Es ist ein Zeichen der Solidarität. Gott ist bei den Leidenden dieser Welt. Karfreitag bedeutet auch das: Schaut hin! Jesu Kreuz drängt mich, ein Auge zu haben für die, die heute gefoltert und gekreuzigt werden, die heute unter ihrem Kreuz zusammenbrechen.  Ich kann nicht mehr einfach wegschauen, wenn mich das Kreuz daran erinnert die Schwachen zu sehen, dem Verzweifelten Mut zu machen und dem Gescheiterten einen Weg zu zeigen

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Jesaja 53,4+5)

Für mich, für sie, für jede und jeden von uns. Das ist die bleibende Wahrheit des Kreuzes. In Jesus nahm Gott unsere Krankheit und unsere Schmerzen auf sich,

damit wir sie nicht alleine tragen müssen. Er starb unseren Tod, damit wir nicht alleine bleiben in diesem letzten Augenblick. Er ging seinen Weg, um uns abzuholen aus unserer Gottvergessenheit, aus unserer Gedankenlosigkeit, aus unserer Schuld.

Wo ich meine Augen nicht vom Kreuz abwende, aushalte – sehe ich mehr als die Brutalität des Kreuzes.

Das Kreuz von Karfreitag ist dann auch ein Zeichen des Trostes, an das ich mich klammern kann. Dort am Kreuz sehe ich einen Gott, der in Jesu selbst Mensch wurde und das Schlimmste erleiden musste. Gott selbst erleidet am Kreuz das, was Menschen an Schrecklichen einem anderen antun. Er wird ein Opfer der Verhältnisse.  Dieser Gott stellt sich mit Jesus auf die Seite der Verlierer, auf die Seite der Ohnmächtigen und Verzweifelten. Er stellt sich auf die Seite all derer, die heute ihr Kreuz tragen müssen und festgenagelt sind in den Strukturen ihres Lebens. Menschen bekommen auch heute Kreuze aufgeladen. Und es sind nicht nur sichtbare dabei. Es gibt auch die unsichtbaren Kreuze, die Menschen nur im Herzen tragen: Ballast der Vergangenheit, Leiden des Lebens, Geschichten von unendlichem Schmerz und Schuld. Gott weiß, wo diese Kreuze, meine, ihre Kreuze stehen. Und Gott ist selbst dort. Mittendrin in all den zerstörerischen Beziehungen dieser Welt. In den ungelösten Fragen unseres Lebens. In zerbrochenen Familien und zerplatzten Träumen. Auf den Krankenhausfluren, den Intensivstationen und in den Flüchtlingslagern.  Mitten in meinem, ihrem Leben – an unserer Seite.

Das Kreuz zeigt mir bei aller Brutalität auch die Nähe Gottes in meinem Leben, gerade da, wo ich ihn für unendlich entfernt halte. Mitten in der Dunkelheit, mitten im größten Elend, in Schmerzen, Krankheit und Tod, mitten am Karfreitag findet sich am Kreuz Gott in seiner Menschlichkeit ganz nah an meiner, ihrer Seite. Was für ein Lichtblick an diesem düsteren Tag. Amen.

Chorlied:

"Korn, das in die Erde" Lena Puschmann am Klavier und Sänger/innen des Kirchenchores

Fürbitten

Lebendiger Gott, wir sind tief verstrickt in Schuld gegenüber anderen Menschen,

gegenüber uns selbst, gegenüber dir. Du hast uns dennoch nicht fallengelassen.

Du hast dich auf die Tiefen unseres Lebens eingelassen, um uns Erlösung zu schenken. Befreie uns nun dazu, verantwortlich zu handeln

Heute an Karfreitag haben wir besonders das Schwere und Traurige in der Welt im Blick und so bitten wir dich besonders für die Einsamen und Traurigen: tröste sie!

für die Müden und Verzagten: mache ihnen Mut!

für die Enttäuschten und Erschöpften: zeige ihnen neue Wege zum Leben!

für die Kranken und Sterbenden: stehe ihnen bei!

für die Verfolgten und Gefangenen: begleite sie!

für die Flüchtlinge und Asylsuchenden: stärke sie!

für die unter Gewalt und Terror Leidenden: richte sie auf!

Gott, bei dir ist das alles gut aufgehoben, denn du bist der Trost der Verlorenen,

Kraft der Schwachen, Begleiter der Leidenden, Licht im Dunkel. Alles was wir sonst noch auf dem Herzen haben legen wir in das Gebet, dass Gott uns geschenkt hat

Vater Unser

 

Segen

Die Stille des Grabes aushalten, das Gefühl der Verlassenheit zulassen, alles in Frage stellen, den Verlust spüren, die Trauer erleben.

Und dennoch nicht verzweifeln,

denn das Licht von Ostern scheine schon jetzt in dein Leben.

Das Licht von Ostern lasse dich die Dunkelheit ertragen, und lasse dich spüren, dass du nicht verlassen bin.

Das Licht von Ostern mache schon jetzt deine Seele hell

Und lasse dich ahnen, was alles möglich ist, wenn du zulässt,

dass Gott mit dir geht. Amen.

Ausgangslied:

"O Haupt voll Blut und Wunden"Lena Puschmann an der Führerorgel der Jakobi-Kirche.