2. September: Wenn Elefanten einen Elefantentanz probieren

Foto: Dr. Ingmar Winter

Zweites Konzert im Orgelsommer mit dem "Karneval der Tiere"

Das zweite Konzert des diesjährigen Orgelsommers fand am letzten Sonntag wiederum in der Stadtkirche Sankt Dionysius statt, diesmal mit dem vorgezogenen Zeitpunkt auf 17 Uhr, um Familien mit ihren Kindern anzusprechen, denn das Hauptthema war der „Karneval der Tiere“, die weltberühmte Suite von Camille Saint-Saëns. Die Organisten waren die Kirchenmusikerin der Jakobi-Gemeinde Lena Puschmann und ihr Mann Winfried Puschmann, die Moderation hatte Dennis Dammeyer.

Bevor die Klangeffekte der erweiterten Klais-Orgel im „Karneval der Tiere“ wirken konnten, erklangen zwei Orgelwerke von Camille Saint-Saëns, abwechselnd vorgetragen von den beiden Jacobi-Organisten. Winfried Puschmann spielte die „Fantaisie I in Es-Dur“, das erste Orgelwerk des französischen Komponisten, das dieser zur Einweihung der Orgel von Saint-Merri im Jahre 1857 geschrieben hat. Sein Erstlingswerk verlangt hohe technische Anforderungen und verwies in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf die zukünftigen Orgelvirtuosen wie Widor und Vierne. Die Fantaisie ließ bei den Zuhörern im gut besetzten Kirchenraum zwei kontrastierende Sätze erkennen. Nach einem verhaltenen Beginn setzte nach einem rasanten Lauf eine wohlklingende Melodie ein, während im zweiten Satz mit dem Einsatz eines Marsches mit eingebauter Fuge ein kraftvoller Schluss erfolgte.

Ein zweites Orgelwerk von  Camille Saint-Saëns, diesmal von Lena Puschmann gespielt, war die „Rhapsodie op. 7 Nr. 3“, die dieser 1866 während einer Pilgerreise mit befreundeten Musikern zum Schrein von Sainte-Anne-la-Palud, einem Dorf an der westlichsten Stelle der Bretagne,  komponiert hatte. Die Musik zeichnete ausdrucksstarke Eindrücke dieses Wallfahrtszuges nach: Kirchenlieder der Pilger, bretonische Volkslieder, die aus der Ferne erklangen, majestätische Hymnen in kraftvollem Ton.

Und dann öffnete sich der Vorhang der Arena mit einem „Königsmarsch der Löwen“ und zeigte den „Karneval der Tiere“, eine „Grande fantaisie zoologique“, wie der Untertitel der 14-sätzigen Suite von Camille Saint-Saëns heißt. Alle Sätze wurden durch Erklärungen des Moderators eingeleitet, die aber durch die Lautsprecherübertragung nicht überall im Kirchenraum verstanden werden konnten.  Dieses Werk spielten die Eheleute Puschmann zusammen und brauchten vier Hände und vier Füße, um alle Klangschattierungen und –effekte der erweiterten Orgelregister zu nutzen. Die Bearbeitung dieses Werkes für Orgel stammt von  Alexander Därr, die für die Einweihung der restaurierten und erweiterten Gewandhausorgel in Leipzig 2008 erstellt wurde.

Die musikalische Präsentation der Tiere folgt nicht einem Gang durch einen Zoo, sondern zeigt sie im lustigen Spiel der Maskerade, die durch Verkleidungen wirken, wie z. B. 20 Kängurus (6. Satz), die als Frösche verkleidet, ihren Hüpftanz präsentieren, was durch das Haupt- und Fernwerk der Orgel lebendig dargestellt war. Das  effektvollste  Maskenspiel setzt die Komposition durch das komische Zusammenspiel von Musik und Tier, das Saint-Saëns durch Parodie erreicht. Ein Beispiel ist der vierte Satz, in dem riesige, uralte Schildkröten den bekannten Offenbachschen Can-Can tanzen, allerdings dreimal langsamer als das Original. Ein weiteres Beispiel ist der Auftritt der Elefanten (5. Satz). Hier präsentieren zwei Elefanten-Damen im Dreivierteltakt den Elfentanz von Berlioz, „der Dickhäuter ist deutlich im Kontrabass zu hören“ (Dennis Dammeyer).

Die Erweiterung der Orgelregister wurde besonders den Kindern im Auditorium deutlich beim Tirilieren und Zirpen der Vögel (10. Satz), beim Ruf des Kuckuck in der dunklen Waldeinsamkeit (9. Satz), beim Gackern und Fiepsen beim Auftritt der Hühnerschar (2. Satz) und beim Spritzen und Plätschern des Wassers im Aquarium (7. Satz). Weniger übertragbar auf die Orgelregister war das Klappern der Knochen im 12. Satz, wo sich Tiere als Fossilien verkleiden. Das tonlose Schlagen auf die  Xylophon-Stäbe des Originals kann eine Orgel weniger gut leisten.

Vor dem großen Finale, in dem sich  fast alle Tiere in der Arena des Karnevals versammelten,  ertönte der weltberühmte Satz „le cygne“. Dieser Satz, der heutzutage noch als eigenständiger Konzertsatz gespielt wird, lässt den Schwan majestätisch und hoheitsvoll seine Bahnen ziehen.

Dr. Ingmar Winter