Ev. Jakobi-Gemeinde: Gelebter Glaube in Zeiten der Corona-Pandemie

Logo der Kirchengemeinde Jakobi, abgerundetes Rechteck, rot gefüllt, weißer Text, außer blaues J von Jakobi: Evangelische Kirchengemeinde Jakobi und gezeichnete Kontur der Jakobi-Kirche

Sonntag, 22. März 2020, 9:00 Uhr. Martin und Helga S. (alle Namen frei erfunden), beide Mitte 50 und regelmäßige Besucher der Gottesdienste in der Jakobi-Kirche, überlegen, in welcher Form sie heute in Zeiten der Corona-Epidemie einen evangelischen Gottesdienst mitfeiern bzw. Gottes Wort hören oder lesen sollen. Im ZDF beginnt um 9:30 Uhr der katholische Fernsehgottesdienst, im Radio gibt es aber auch evangelische Angebote. Oder doch lieber einen Internet-Gottesdienst – live oder als Videoaufzeichnung -, wie er von vielen Gemeinden in fast unüberschaubarer Fülle angeboten wird? Beeindruckend! Gottes Wort für die ganze Welt abrufbar -  im „“World-Wide-Web“! Auch die Evangelische Jakobi-Gemeinde hat ihre Internetseite zu einer verkündigenden gemacht: zwar noch nicht mit einem Video-Gottesdienst (das ist für die Karwoche geplant), aber mit einer Andacht zum Nachlesen von Pfarrerin Britta Meyhoff. Oder sollen Martin und Helga lieber die „Gedanken“ von André Ost anklicken, dem Superintendenten des Ev. Kirchenkreises Tecklenburg? Oder sogar die Angebote der „Ev. Kirche von Westfalen“, der „Ev. Kirche Deutschlands“ oder einfach irgendeiner anderen Gemeinde in der Nähe? Alles möglich! Das Angebot ist überwältigend, ja fast schon erdrückend: soviel Verkündigung von Gottes Wort – ganz ohne eigenen Kirchenbesuch!

Die Entscheidung fällt Martin und Helga schwer. Letztlich entscheiden sie sich dafür, die Worte „ihrer“ vertrauten Ortspfarrerin zu lesen. Und wenn das dann für heute nicht reicht, vielleicht doch noch unter der Woche irgendein anderes Internetangebot. Wobei…: der Kamera-Schwenk durch menschenleere Kirchen tut schon weh…

Szenenwechsel: Frau Erika B., 84 Jahre alt, am selben Tag. Sie lebt allein in ihrer Wohnung. Der einzige Sohn arbeitet und lebt in München. Besuchen kann er sie nicht. Aber sie telefonieren jeden Tag. Bisher ist sie jeden Sonntag in die Kirche gegangen, hat vor allem die Gemeinschaft mit anderen gesucht. Und wenn sie einmal krank war, hat sie den Fernseh-Gottesdienst eingeschaltet – und so wird sie es auch heute tun. Zwar ist der katholisch, aber das ist ihr egal. Und hier in Rheine wird Ökumene ja auch großgeschrieben. Internet und Smartphone? Damit kann sie nicht umgehen. Informationen über die geistlichen Angebote der Kirchen in Rheine bekommt sie daher nur über die gute alte Tageszeitung, die „MV“. Aber von einer Bekannten hat sie eben erfahren, dass die Jakobi-Gemeinde die sonntäglichen, im Internet verfügbaren Andachten zum Nachlesen auf Wunsch auch per Post verschickt. Gleich am Montag wird sie im Gemeindeamt darum bitten – auch schon für die nächsten Sonntage.

Und ebenso hat sie auch gehört, dass die evangelischen Geistlichen ihrer Jakobi-Gemeinde telefonisch für Gespräche zur Verfügung stehen und auch versuchen, wo nötig Hilfe für’s Einkaufen zu organisieren. Das ist gut zu wissen. Sie sucht schon einmal die Telefonnummer ihres zuständigen Pfarrers aus dem Gemeindebrief heraus – für alle Fälle, wenn sie nicht mehr weiter weiß und ein Gespräch oder konkrete Hilfe braucht. Und am Abend um 19:30 Uhr wird sie wieder eine Kerze ins Fenster stellen und das gemeinsame Glockengeläut der Kirchen in Rheine hören, die zum Gebet einladen. Sie wird mit ganz freien Worten mit Gott sprechen, zum Schluss ein Vaterunser beten und sich verbunden fühlen mit aller Christenheit auf Erden. Das tut ihr gut – in diesen schweren, verstörenden Zeiten. Genauso wie die langen Telefon-Gespräche über Gott und die Welt mit der lieben Frau, die im Bibelkreis immer neben ihr sitzt, und die auch kein Internet hat oder WhatsApp versteht. Gelebter Glaube in Zeiten der Pandemie!