25. Oktober: Antisemitismus: Mehr Bildung und Sensibilität erforderlich - Vortrag im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“

Sebastian Mohr von der jüdischen Gemeinde Düsseldorf im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“: „Ja, Jüdinnen und Juden fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher.“

Sebastian Mohr von der jüdischen Gemeinde Düsseldorf im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“: „Ja, Jüdinnen und Juden fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher.“

Von ungeahnter Aktualität und Brisanz war das Thema des Jakobi-Treffs „Kirche und Welt“ im Oktober: Zum Thema „Antisemitismus in NRW - Wahrnehmungen und Erfahrungen von Jüdinnen und Juden mit Antisemitismus“ konnte Karl Wilms  Sebastian Mohr von der jüdischen Gemeinde Düsseldorf begrüßen. Die jüdische Gemeinde Düsseldorf gilt mit rd. 6000 Mitgliedern als die drittgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland.

Mohr berichtete aus einer breit angelegten Studie von 2020, die unter anderem auf 59 leitfadengestützen Interviews von Jüdinnen und Juden in ganz NRW basiert. Alle Befragten berichteten von konkreten antisemitischen Vorfällen. Was neu sei, sei die Wahrnehmung einer historischen Kontinuität: „So ein Fundament, ein antisemitisches Fundament, hat es immer gegeben. Und ich glaube, dass wir uns im Moment in einer Situation befinden, wo einfach Grenzen des Miteinanders wegbrechen“, so zitiert Mohr einen Befragten. 

Eine häufig genannte Zäsur bildeten dabei die Demonstrationen im Sommer 2014 zum ersten Krieg im Gaza-Streifen und der Brandanschlag auf die Wuppertaler Synagoge.  Besonders betroffen sei die jüdische Gemeinde von den Gerichtsurteilen des Amtsgerichts Wuppertal und des Landgerichts Düsseldorf,  die den Brandanschlag auf die Synagoge als „nicht antisemitisch“ eingestuft hatten. Dies alles führe zu einer Verschiebung von Grenzen: Originalton aus der Befragung: „Mittlerweile kommen Briefe und Beschimpfungen von Privatpersonen mit voller Adresse und Telefonnummer“. Dabei reiche die Spanne von wirren Verschwörungstheorien, Holocaust-Leugnern, israelbezogenem Antisemitismus bis hin zu ‚klassischen‘ antisemitischen Ressentiments wie etwa die Identifizierung von Jüdinnen und Juden mit Reichtum und Geld.

Die Studie habe auch einen großen Bedarf an Bildung und Sensibilisierung gezeigt. Es bestehe Handlungsbedarf in Bildungs- und Präventionsarbeit, insbesondere im Kontext Schule und bei der Fortbildung für Lehrkräfte. Noch immer gebe es eine Schwelle zur Behandlung diese Themenkomplexes in den Schulen bei allen Altersstufen.  Wichtig sei aber auch eine Sensibilisierung im Bereich öffentlicher Dienst, Verwaltung, Polizei und Justiz. Mohr sieht erste Ansätze: Nach den jüngsten Vorfällen am 9. Oktober 2023 rund um die Ausschreitungen in Berlin habe es einen Run auf das Schulungsmaterial von SABRA (Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit,  Beratung bei Rassismus und Antisemitismus) gegeben.

Die anschließende Diskussion machte das Ausmaß der Bedrohung deutlich. Mittlerweile erkennt man eine Synagoge daran, dass ein Polizeiwagen vor dem Gebäude stehe, und dass z.B. in Kindergärten mit vielen jüdischen Kindern Einlasskontrollen selbstverständlich seien. Das Fazit von Sebastian Mohr: Antisemitismus hat es schon immer gegeben und er wird auch in Zukunft nicht verschwinden, aber wir müssen hart daran arbeiten, dass z.B. in den sozialen Medien nicht eine Stimmung erzeugt wird, die den Hass weiter schürt.