28. Februar: Diagnose Demenz - Frühzeitig Hilfe holen; Dr. Angelika Grote-Reith referierte in Jakobi-Treff "Kirche und Welt

Die Referentin Dr. Angela Grote-Reith im Gemeindesaal

Dr. Angela Grothe-Reith referierte im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“ zum Thema „Demenz als gesellschaftliche und persönliche Herausforderung“

 

„Demenz als gesellschaftliche und persönliche Herausforderung“ war das Thema im letzten Jakobi-Treff „Kirche und Welt“. Als Referentin konnte Karl Wilms Dr. Angela Grote-Reith, Chefärztin der Med. Klinik IV –
Geriatrie/Palliativmedizin in der Mathias-Stiftung Rheine begrüßen.

Das gesellschaftliche Problem sei evident, so Grote-Reith: Von heute etwa 1,6 Mio. Demenzerkrankungen in Deutschland werde diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 2,8 Mio. Erkrankte steigen. Die damit verbundenen Lasten werden von einem immer kleiner werdenden Teil der Bevölkerung zu tragen sein. Die pflegenden Angehörigen, die 90 % der Krankheitslasten tragen, seien einem großen psychischen und physischen Druck ausgesetzt.

Etwas zu vergessen oder liegen zu lassen, sei völlig normal, Demenz als Symptomkomplex fange da an, wo es den Alltag beeinflusse: Das Gedächtnis lässt nach, Dinge werden verlegt, die räumliche Orientierung geht verloren, Personen werden nicht mehr erkannt, die Sprache verarmt, Worte werden nicht gefunden. Erkrankte verändern das Verhalten, werden unruhig, misstrauisch oder traurig, manchmal auch aggressiv. Der Alltag ist allein nicht mehr zu bewerkstelligen, Hilfe ist erforderlich.

Der erste Weg führe zum Hausarzt, der nach einer Anamnese verschiedene neuropsychologische Testungen durchführt und einen Neurologen hinzuziehen kann. Ein MRT kann dann einen Verdacht bestätigen und eine Nervenwasserprobe kann die Diagnose sicher bestätigen und auch den Demenztyp ermitteln. Bei etwa einem Drittel der Demenzerkrankten handele es sich um eine Demenz vom Typ Alzheimer. Eine milde Demenz bilde oft die schwierigste Phase für die Angehörigen. Unsicherheit und Verlust der Selbständigkeit führten zu Verhaltensstörungen bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen. Das Erkennen eigener Defizite mache traurig und unter Umständen auch aggressiv. Bei moderater Demenz bräuchten die Betroffenen Hilfe bei bereits einfachen Tätigkeiten, Schlafstörungen stellten sich ein, Verhaltensauffälligkeiten, Unruhe, Aggression nähmen zu. Bei schwerer Demenz träten dann psychische Störungen auf; es komme zu Depression, Wahnvorstellungen und Inkontinenz. Medikamente könnten den geistigen Abbau verzögern, aber nicht heilen, könnten aber die Verhaltensstörungen wie Unruhe oder Halluzinationen lindern.

Grote-Reith konnte die medizinischen Faktoren mit eigenen Erlebnissen untermauern, dabei habe sie selbst gemerkt, wie schnell man trotz allen Wissens um die Krankheit an seine persönlichen Grenzen stoße. Auch sie habe lernen müssen, frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Was können die Angehörigen für sich tun? Wichtig sei, sich frühzeitig und umfassend zu informieren, es gebe ein breites Spektrum von Pflegestützpunkten, Wohlfahrtsverbänden, Sozial- und Gesundheitsämtern; auch Angehörigen- oder Selbsthilfegruppen helfen, Erfahrungen auszutauschen und Sorgen zu teilen.

Grothe-Reith: “Die Pflege eines demenzkranken Menschen kann dazu führen, dass Sie sich selbst überfordern. Viele Angehörige verzichten z.B. auf Dinge, die ihnen lieb sind wie Freundschaften oder Hobbys. Es mag Ihnen egoistisch erscheinen, dass Sie Freude haben, während der andere Ihre Unterstützung braucht.“ Auch ambulante Pflegedienste könnten entlasten, ggf. helfen auch Angebote wie Betreuungsgruppen, Pflege- oder Wohngemeinschaften, Verhinderungs-, Tages- oder Kurzzeitpflege.

Auch zu Hause zu Leben sei bei Demenz möglich, ein offener Umgang könne Verständnis im Familien- und Freundeskreis schaffen. Selbstverständlich müsse dann das Heim angepasst werden: Rauchmelder, viel Licht, Sicherheit am Herd und die Beseitigung von Stolperfallen gehörten dazu, aber auch ein GPS-Ortungsgerät. Bei Gesprächen sei Blickkontakt wichtig und kurze einfache Sätze. Auch bei Wutausbrüchen gelte es, ruhig zu bleiben; es gebe spezielle Trainings für Angehörige, in denen man lernt, wie man mit schwierigem Verhalten und seelischen Auffälligkeiten umgeht. Beim Verlust von Hunger oder Durst helfe es, die Mahlzeiten schön zu gestalten und mit Lob und Zureden zum Essen zu ermuntern.

Neben allen individuellen Bemühungen und persönlichen Herausforderungen sei es eine gesellschaftliche Aufgabe, Strukturen zu schaffen, die auch bei Demenz Lebensqualität ermöglicht, es sei ein Gradmesser einer Gesellschaft, wie sie sich um Kranke und Schwache kümmere. Die lebhafte Diskussion zeigte, dass die zahlreichen Zuhörer an ihre eigene Wirklichkeit anknüpfen konnten und am Ende der Referentin mit herzlichem Applaus dankten.