Mittwoch, 27. April: Exkursion Jakobi-Treff "Kirche und Welt" zu den Emslandlägern

Eine Geschichte von Entrechtung, Vernichtung, Vertreibung und Integration

Modell eines Emslandlagers

Modell eines Emslandlagers

Einen Einblick in die unterschiedlichen Facetten deutscher Geschichte bekamen die Teilnehmer des Jakobi-Treffs „Kirche und Welt“. Die erste Exkursion nach zwei Jahren Corona-Pause führte nach Neugnadenfeld ins Emsland.  Im ersten Teil wurde die Entstehung und Entwicklung der sogenannten „Emslandläger“ dargestellt.

Die 15 Emslandläger bestanden von 1933 bis 1945. Insgesamt waren hier etwa 80.000 KZ-Häftlinge und mehr als 100.000 Kriegsgefangene interniert und erlitten grausamste Behandlungen.  Die Läger hatten alle eine gleiche Struktur und orientierten sich an dem ersten Lager Börgermoor in der Nähe von Papenburg. Hier entstand auch das Lied „Wir sind die Moorsoldaten“, das nach einmaliger Aufführung zwar sofort verboten wurde, aber dennoch als Widerstandlied den Weg durch die Läger fand. Im Zuge des Vormarsches der alliierten Truppen wurden die Läger im April 1945 befreit. Ca. 40.000 „Displaced Persons“ hielten sich nach Kriegsende im Emsland auf.

Historiker Martin Koers, Geschäftsführer der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen, machte in seinem Vortrag deutlich, dass die Zustände in den Lägern, besonders nach 1939 durch das Eintreffen von Kriegsgefangenen aus Russland, der Bevölkerung nicht verborgen geblieben seien konnten. Andererseits nehme er heute ein großes Interesse der jüngeren Generation wahr, die nicht nur aus dem Ausland nach den Opfern, sondern auch aus dem Inland nach den Tätern frage. „Die Zeit der Sprachlosigkeit und der Verdrängung scheint vorbei“, so Koers.

Im zweiten Teil der Exkursion ging es um die Ansiedlung der Herrnhuter Brüdergemeine,  der 1946 das Lager Alexisdorf als Ansiedlungsort  nach der Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten zugewiesen wurde. „Die erste Zeit in den ehemaligen Baracken war hart“, so Christhof  Pasternak, Vorsitzender des Vereins Lagerbereich Alexisdorf-Neugnadenfeld. Da viele der Vertriebenen aus der Landwirtschaft gekommen seien und Arbeitskräfte knapp waren, habe es deutlich weniger Reibungen zwischen den Eingesessenen und den Vertriebenen als in anderen Teilen Deutschlands gegeben. Auch Spenden aus der internationalen                        Brüdergemeine, insbesondere aus Schweden und den Niederlanden, hätten über die Notzeiten hinweggeholfen. Heute gehöre etwa ein Drittel der 700 Einwohner Neugnadenfelds der Brüdergemeine an, die rd. eine Mio. Mitglieder in allen Teilen der Welt hat.

Ein Besuch des Kriegsgräberstätte Großringe/Neugnadenfeld führte noch einmal in die Vorgeschichte des Ortes. Hier sind rd. 600 unbekannte russische Kriegsgefangene, die an Unterernährung und Epidemien verstarben, in Massengräbern beigesetzt worden.

Zum Abschluss der Exkursion gab es bei Kaffeetrinken in Kloster Frenswegen noch reichlich Gelegenheit, die Eindrücke mit persönlichen Erfahrungen der Eltern- und Großelterngeneration aufzuarbeiten. Am Ende waren sich alle Teilnehmer einig: Man muss die Geschichte kennenlerne, damit sie sich nicht wiederholt.